Die industrielle Cloud-Kommunikation wird standardisiert

Cloud Computing hat sich in den letzten Jahren flächendeckend durchgesetzt mit einer steigenden Vielfalt an Lösungen verschiedener Anbieter. Das Problem: Unterschiedliche Vorgaben und inkompatible Schnittstellen erhöhen den Aufwand und machen die Verbindung über Cloudgrenzen hinweg sehr komplex. HARTING beteiligt sich deshalb an einer Initiative für einen einheitlichen Standard zur Cloud-übergreifenden Kommunikation. Die Ergebnisse werden auf der HANNOVER MESSE 2019 präsentiert.

Zwei Drittel der deutschen Unternehmen setzen bereits Cloud Computing ein. Dabei ist die Kombination unterschiedlicher Service-Modelle zuletzt gestiegen, so die Analyse im „Cloud-Monitor“ von KPMG und Bitkom. Die Autoren erwarten, dass in absehbarer Zukunft kaum ein Unternehmen mehr am Thema Cloud Computing vorbeikommen wird.

Anforderungen an Cloud Services im Maschinen- und Anlagenbau

Neben den großen Cloud-Anbietern setzen auch Komponenten-, Sensor- und Aktorhersteller, Plattformanbieter sowie Maschinen- und Anlagenbauer auf eigene Cloud-Infrastruktur- oder Plattformlösungen. Immer mehr Maschinen- und Anlagenbetreiber nutzen die darüber angebotenen digitalen Serviceangebote wie beispielsweise Condition Monitoring oder Predictive Maintenance.

Aus Anwendersicht sind diese digitalen Dienste vorteilhaft, allerdings nicht unproblematisch. Sie greifen in die eigene IT-Infrastruktur ein, haben Zugriff bis auf die Feldebene, empfangen sensible Produktionsdaten und können ggf. online Maschinenparameter verändern. Dabei steigt die Zahl externer Unternehmen, die einen Zugriff auf die eigenen Anlagen verlangen. Für Maschinenbetreiber ist die jederzeitige Kontrolle und sicherheitstechnische Absicherung solcher Dienste deshalb essenziell.

Anbieter von Cloud-basierten Systemen und Diensten sehen sich vor der Herausforderung, dass die Kommunikation und der Datenaustausch zunehmend komplexer werden. Durch die unterschiedlichen Cloud-Infrastruktur- und Plattformlösungen entstehen Multi-Cloud-Applikationen mit verschiedenen proprietären Anwendungs- und Transportprotokollen sowie unterschiedlichen Security-Standards. Die fehlende Interoperabilität erhöht den Aufwand und be- und verhindert die Durchsetzung neuer Geschäftsmodelle.

Initiative zur Standardisierung der industriellen Cloud-Kommunikation

HARTING unterstützt die Standardisierungsinitiative DIN SPEC 92222, die aktuell aus 31 Unternehmen, Verbänden und Forschungsinstituten besteht. Betrachtet wird hierbei die Kommunikation von Maschinen (bzw. sogenannter Edge-Geräte) in die Cloud eines fertigenden Unternehmens sowie unternehmensübergreifend zu weiteren Cloud-Systemen. „Der neue Standard soll die Interoperabilität und Kommunikation zwischen beteiligten IT-Teilsystemen sowie physikalischen Geräten sichern. Der Standard richtet sich insbesondere an Betreiber und Hersteller von Maschinen und Anlagen, die Cloud-basierte Dienste und Systeme anbieten und nutzen, sowie an Anbieter von Remote Services“, sagt Christoph Legat, Software Professional der Expleo Group. Das Technologieunternehmen engagiert sich federführend in der Standardisierungsinitiative und zeigt mit einem Demonstrator eine beispielhafte Anwendung der Cloud-Konnektivität bei HARTING (Halle 11 / Stand C15) auf der HANNOVER MESSE.

Die DIN SPEC 92222 realisiert ein Referenzmodell für die industrielle Cloud Federation“. Das Ziel: Eine durchgängige und standardisierte Kommunikation vom Feldgerät bis zur Multi-Cloud-Applikation auf Basis von OPC UA. Beteiligt sind Unternehmen wie Bosch, IBM, Fujitsu, Kuka, Microsoft, die Verbände VDMA und Bitkom sowie Forschungsinstitute von Fraunhofer.

Für das Ziel einer durchgängigen und standardisierten Kommunikation soll die Zahl der einzusetzenden Technologien, Normen und Standards minimiert werden. Als Voraussetzung für eine Multicloud-Infrastruktur werden für das Routing zwischen Clouds einheitliche Schnittstellen definiert. Es wird erarbeitet, welche Transportprotokolle für welchen Anwendungsfall eingesetzt werden sollten. In der konkreten Umsetzung wird festgelegt, wie z. B. die Parametrierung und die Bereitstellung notwendiger Komponenten (z.B. Broker, Relays oder Router) erfolgen sollen. Ferner werden Vorgaben für die einheitliche Authentifizierung und Autorisierung geschaffen.

Der HARTING Messestand mit der HARTING HAII4YOU-Produktionsanlage: In den Produktionszellen werden Daten der Roboter aufgenommen, um deren Zustand zu überwachen.

Präsentation der Ergebnisse auf der HANNOVER MESSE

Die Initiative wird ihren praxisnahen Standard auf mehreren Ständen der HANNOVER MESSE mit Anwendungsbeispielen demonstrierten. Die präsentierten Funktionalitäten sind für Anwender sofort nutzbar. So werden auf dem Messestand von HARTING zwei Anwendungsbeispiele mit dem Edge Computer MICA® vorgestellt.

  • Prozessüberwachung mittels Künstlicher Intelligenz: Die Expleo Group zeigt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz für die Prozessüberwachung von Maschinen. Auf Basis von bereitgestellten Daten kann die SmartANIMO-Applikation der Expleo Group das Verhalten angeschlossener Maschinen erlernen und dieses Wissen nutzen, um ohne manuelle Eingriffe selbst kleinste Abweichungen im Prozess zu erkennen und deren Einfluss auf die Gesamtanlageneffektivität zu bewerten;
  • Zustandsüberwachung von Industrierobotern: Mit der HARTING HAII4YOU-Produktionsanlage wird ein zweiter Demonstrator im Rahmen der Cloud Federation angebunden. Zielsetzung ist dabei die Datenaufnahme der in den Produktionszellen verbauten Roboter und die anschließende Zustandsüberwachung innerhalb der SmartANIMO-Applikation der Expleo Group.

Die HARTING MICA®bildet in beiden Anwendungsbeispielen das Bindeglied zur
Cloud Federation-konformen Übermittlung
und Bereitstellung notwendiger Daten an die Produktions-Cloud und der anschließenden Auswertung in der Supplier-Cloud von Expleo. Bereits heute wird HARTINGs Edge Computer MICA® in vielen Anwendungen mit Cloud-Gateway-Funktionalitäten eingesetzt. Die Linux-basierte Container-Architektur und Open-Source-Software wie beispielsweise Node-RED machen dabei die Konnektivität zu vielen Cloud-Diensten wie Microsoft Azure, AWS oder der Telekom Cloud durch einfache Verdrahtung von Nachrichtenflüssen möglich. Die Normungsinitiative wird auch hier die Integration solcher Gateway-Funktionalitäten für den Anwender weiter vereinfachen.

Vorteile für den Maschinen- und Anlagenbau

Der Anspruch des Referenzmodells für die industrielle Cloud Federation ist ein praxisnahes Konzept. Die Ergebnisse sind für Entwickler geeignet (Developer-Ready) mit Konformitätsregeln und Umsetzungsvorschriften, wie beispielsweise eine Predictive-Maintenance-Applikation umgesetzt werden kann. Arbeitshilfen und Unterlagen sollen in Q2-2019 vorgestellt werden.

Für den Maschinen- und Anlagenbau ergeben sich vor allem fünf konkrete Vorteile:

  • Kontrolle und Sicherheit: Durch eindeutige Konformitätsregeln behalten Anlagenbetreiber die Kontrolle über ihre Daten und ihre Infrastruktur;
  • Bessere Wartbarkeit: Durch einheitliche Applikations- und Transport-Protokolle wird sich der Wartungsaufwand einer Applikation erheblich reduzieren;
  • Neutralität der Lösungen: Durch einheitliche Standards sind Betreiber nicht von einer bestimmten Plattform abhängig. Der Integrationsaufwand einer anderen Cloud-Lösung wird deutlich geringer;
  • Enabler für neue Geschäftsmodelle: Die Kommunikation von der Feldebene in die Cloud und der Zugriff aus der Cloud auf die Maschine wird vereinfacht und unterstützt neue Servicemodelle wie Pay-per-Use-Konzepte;
  • Schnelle Verfügbarkeit: Durch den praxisnahen Ansatz und durch die Beteiligung vieler relevanter Player sind viele Applikationen sofort und weitere Lösungen in absehbarer Zeit verfügbar.