Kernspaltung, Erdgas, Geothermie, Kernfusion: Wären diese Grundlasttechnologien für das deutsche Energiesystem zukünftig von Vorteil? Untersucht hat das die Akademieninitiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS).
Was sind Grundlasttechnologien?
Grundlasttechnologien sind kontinuierlich zur Stromerzeugung verfügbar. Ein Grundlastkraftwerk muss dabei aufgrund seiner hohen Investitionskosten fast durchgehend in Betrieb sein, um sich rentieren zu können. Typische Technologien sind aktuell Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke.
Anders ist es beim Residuallastkraftwerk: Dieses ist zwar ebenfalls kontinuierlich verfügbar, läuft aber nur zeitweise, etwa wenn Solar- und Windenergie nicht genug Strom liefern. Residuallastkraftwerke haben vergleichsweise niedrige Investitionskosten, aber hohe Brennstoffkosten. Ein Beispiel für CO2-arme Residualkraftwerke sind wasserstoffbetriebene Gasturbinenkraftwerke.
Mögliche CO2-arme Grundlasttechnologien
Kernkraftwerke bergen offene Fragen zu Kosten, Sicherheit, Endlagerung und Proliferation. Aktuelle Neubauprojekte liegen meist wesentlich über dem Zeit- und Kostenplan.
Erdgaskraftwerke mit CO2-Abscheidung ließen sich innerhalb der nächsten 20 Jahre vermutlich in großem Umfang realisieren. Eine Herausforderung wird, die Infrastruktur für CO2 aufzubauen.
Geothermie hat in Deutschland geringes Potenzial zur Stromerzeugung – sie ist hier besser
zur Bereitstellung von Wärme geeignet.
Kernfusion kann voraussichtlich frühestens nach dem Jahr 2045 nennenswert zur Stromversorgung beitragen.
Grundlastkraftwerke können, aber müssen nicht Teil des zukünftigen Energiesystems sein
Durch den Ausbau der Erneuerbaren sowie der europäischen Strom- und Wasserstoffnetze lassen sich voraussichtlich der Strombedarf und der größte Teil des Wasserstoffbedarfs innerhalb Europas decken. Grundlastkraftwerke könnten trotzdem zur Energieversorgung beitragen. Schlüssel ist ein flexibles Wasserstoffsystem, das den Kraftwerken eine hohe Auslastung ermöglicht. Ihr Strom könnte in Zeiten schwacher Nachfrage zur Elektrolyse genutzt werden und so Wasserstoffimporte reduzieren. Den Aus- und Aufbaubedarf der Netze für Strom und Wasserstoff beeinflussen sie jedoch kaum, auch die Umstellung auf E-Mobilität und Wärmepumpen müsste unverändert erfolgen. Ihr Nutzen ergibt sich in erster Linie dann, wenn sie wirtschaftlicher sind als ihre Alternativen. Wegen ihrer langen Bau- und Nutzungszeiten sind neue Grundlastkraftwerke allerdings eine eher langfristige Option.
Grundlastkraftwerke verändern die Gesamtkosten nicht substanziell
Die Gesamtsystemkosten des Umbaus zur Klimaneutralität bis 2045 liegen mit einem Zubau von Grundlastkraftwerken auch bei optimistischen Annahmen ähnlich hoch wie im Referenzszenario, das vor allem auf den Ausbau von Solar- und Windenergie setzt. Zusätzliche Risiken: Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Bau von Grundlastkraftwerken, sowohl durch den geringeren technologischen Reifegrad von Technologien als auch durch die typische Komplexität von Großprojekten.
Karen Pittel
- Firma: ifo Institut, ESYS Direktorium
Philipp Stöcker
- Firma: Philipp Stöcker, ESYS Geschäftsstelle