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  3. Miniaturisierung von Produktionssystemen: Wie weit kann man schrumpfen?
Produkte
29. September 2025
7 Minuten

Miniaturisierung von Produktionssystemen: Wie weit kann man schrumpfen?


Um den Materialaufwand zu minimieren und Kosten zu sparen, werden Maschinen und andere Produktionsmittel immer kleiner. Das ist ein Trend, der sich global beobachten lässt. Doch wie weit kann die Verdichtung einzelner Funktionen und, damit einhergehend, die Miniaturisierung sinnvoller Weise gehen? Aus Erfahrungen und enger Zusammenarbeit mit Kunden aus unterschiedlichsten Industriebereichen kann HARTING als Hersteller von industriellen Schnittstellen praktische Empfehlungen und Erfahrungen teilen. So können Hersteller und Anwender von Produktionssystemen die enormen Potentiale der Miniaturisierung entdecken und ausschöpfen.
Lebensmittelverarbeitungs- und Verpackungsmaschinen

Für die fortschreitende Miniaturisierung technischer Systeme gibt es zahlreiche Beispiele. Das „Mooresche Gesetz“ z.B. besagt, dass sich die Integrationsdichte von Mikrochips alle 18 Monate verdoppelt. Heute finden so rund 35 Mrd. Transistoren in einem einzelnen Chip Platz. Ein anderes Beispiel ist das Smartphone, das sich in den letzten 20 Jahren vom mobilen Telefon zu einem integrierten Kommunikations-, Navigations-, Unterhaltungs- und professionellem Multifunktionsgerät entwickelt hat. Der Trend zur „Verdichtung“ von Funktionen und technischen Eigenschaften hat bereits neue technische Disziplinen hervorgebracht: wo die Grenze zwischen Elektronik und Mechanik immer mehr verschwimmt, spricht man heute von Mechatronik. Dass die Verkleinerung technischer Strukturen ein allgemeiner Trend ist, lässt sich aber nicht nur bei Gebrauchsgütern feststellen. So ist z.B. die aktuell stärkste Träger-Rakete Falcon Heavy von SpaceX im Vergleich zur historisch leistungsstärksten „Saturn V“-Rakete im Apollo-Programms filigran, d.h. sie schont den Energie- und sonstigen Ressourcenverbrauch – und ist dazu auch noch teilweise wiederverwendbar. 

Macht die gegenwärtige Miniaturisierung auch bei Produktionssystemen Sinn?

Es wird argumentiert, der Trend könne bei Maschinen und Anlagen ohnehin nur bedingt Auswirkungen haben, weil…   

  • diese im Gegensatz zu typischen Mikroprozessor-IC oder Smartphones im Industrieumfeld aufgestellt und betrieben werden;  

  • sie im Vergleich zu spektakulären Systemen wie Träger-Raketen wesentlich weniger Energie verbrauchen.  

Der Einwand verliert an Bedeutung, wenn man versteht, dass Miniaturisierung kein Selbstzweck sondern „Mittel zum Zweck“ ist. Im technischen Sinne ist jede sparsamere und effizientere Lösung eine „Verkleinerung“, die weniger Fertigungs-, Verbrauchs- oder sonstige Materialien benötigt und den Einsatz von Energie, Arbeit und anderen Ressourcen optimiert – solange die geforderte Funktionalität gewährleistet ist und sowohl die Auslegung der Maschinen-Module und Komponenten als auch die Abläufe im Produktionsprozess stimmig bleiben. 

Herangehensweise für die Miniaturisierung

Die Einsparung von Material- und Energie-Ressourcen ist also das eigentliche Ziel, das mit der Miniaturisierung erreicht werden soll. Um Aufwand und Nutzen der Miniaturisierung bei Produktionssystemen richtig und umfassend einschätzen zu können, muss man sowohl die Sicht der OEM’s im Maschinen- und Anlagenbau als auch die Sicht von Endkunden/Betreibern berücksichtigen. Als Leitfaden für eine systemorientierte Herangehensweise kann die Lebenszykluskosten-Analyse dienen (engl. LCC = Life Cycle Costs/Lebenszykluskosten), die vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erarbeitet wurde. Zudem kann das Vorgehen gemäß jeweils passender Abschnitte der Richtlinie VDI 4800 BLATT 1 (Messung und Bewertung der Ressourceneffizienz / Februar 2016) sehr zielführend sein. Hier werden Standards und Methoden einer solchen Analyse und daraus abzuleitender Maßnahmen beschrieben.

Die Beobachtung besonders erfolgreicher HARTING Kunden zeigt, dass solche Analysen eine systematische Auflistung der Potentiale umfassen müssen. Eine Verwirklichung der Maßnahmen bringt letztlich Wettbewerbsvorteile, die sich im Verlaufe des Lebenszyklus eines Produktionssystems erschließen.

Innovationsstufen der Miniaturisierung

Folgende entscheidenden Innovationsstufen – gestaffelt nach Aufwand – lassen sich demnach ableiten:  

  1. Verkleinerung, Vereinfachung, Minimierung des Materialaufwands sowie Einsatz progressiver neuer Materialien für bereits bestehende Komponenten, Module und Gesamtsysteme auf Basis des wachsendes OEM Kern-Knowhows und dank Einsatz immer genauerer CAE-Tools und -Methoden.

  2. Verkleinerung der Komponenten, Aggregate und Maschinen-Module durch Kombination von zwei oder mehreren früher getrennt wirkenden Funktionseinheiten und entsprechend auch die Erhöhung des Integrationsgrads dieser Einheiten.  

  3. Einsatz innovativer Technologien und / oder Kombination von bestehenden und neuen Technologien für Komponenten, Aggregate und Module – mit dem Ziel signifikante, bis dato nicht mögliche Material- und Kosteneinsparungen oder auch Produktivitätssteigerungen herbeizuführen.  

Während Verkleinerung und Vereinfachung zum Tagesgeschäft von Maschinenbau-OEM’s gehören – und sich insofern selbst erklären – sind die beiden komplexeren Faktoren/Stufen erklärungsbedürftig und sollten anhand von Beispielen verdeutlicht werden.  

Die folgenden Beispiele sollen die innovative Wirkung der Kombination früher getrennt wirkender Funktionseinheiten veranschaulichen: 

Bei Motorspindeln an Werkzeugmaschinen sind alle mechanischen Elemente (Achse, Lagerung, Werkzeugspanner etc.) des Antriebsmotors so ausgeführt, dass sie ohne weitere Adaption oder zusätzliche Elemente in die Maschine integriert werden und allen Belastungen durch die Maschine standhalten können. Gleichzeitig sind alle erforderlichen Elemente des elektrischen Servo-Antriebsstrangs – Wicklungen des elektrischen Motors, Drehgeber und Sensoren (Positionserfassung, Temperatur, Vibration) – direkt an den Formfaktor der Gesamteinheit angepasst.

Roboter-Greifsysteme, die je nach Aufgabe und Komplexität der Funktionen der Gesamt-Anlage auf vielfältige Art und Weise hochintegriert und auf konkrete Aufgabenpakete zugeschnitten, aber trotzdem flexibel aufgebaut werden können. Bei diesen Systemen gibt es unzählige Beispiele, wo der Integrationsgrad hoch und die Funktions-Verdichtung besonders stark ist. 

Beispielsweise werden bei einer vollelektrischen Kunststoff-Spritzgussmaschine das Einspritzen und Dosieren des Kunststoffs ebenso wie das Öffnen und Schließen des Werkzeugs komplett auf Servoantriebe umgestellt; dadurch können die Maschinen-Module wesentlich kompakter aufgebaut werden. Als zusätzlicher positiver Effekt kann sich der Energieeinsatz im Vergleich zu leistungsähnlichen Maschinen mit herkömmlicher Hydrauliktechnik fast halbieren .

Letztes Beispiel sind hochintegrierte Transportsysteme auf Basis von Linearmotor-Technologie mit einzelnen, unabhängig voneinander elektronisch steuerbaren Schlitten mit eigenen individuellen Bewegungsprofilen: ihr Einsatz ermöglicht neue Konzepte und Leistungsspektren bei Produktionssystemen mit getakteten Bewegungsabläufen für die Werkstücke. 

Handlungsempfehlungen zur Materialeinsparung und Miniaturisierung

Aus erfolgreichen Verhaltensmustern der HARTING Kunden im Bereich Maschinenbau lassen sich generelle Vorgehensweisen ableiten und Schritte empfehlen, die für die gezielte Materialeinsparung und Miniaturisierung der Produktionssysteme notwendig sind. Generell ist es empfehlenswert, die Einsparungs- und Miniaturisierungspotentiale einzelner Maschinen-Module oder der Gesamtanlage anhand bereits erwähnter Standards und Bewertungsmethoden zu bewerten (z.B. nach der Lebenszykluszeit-Analysen von VDMA (1) oder Richtlinie VDI 4800 BLATT 1 (2)).   Dabei empfiehlt es sich, wie folgt vorzugehen: 

  • Das Ausgangssystem getrennt nach Maschinen-Modulen, Aggregaten und Funktionen zu betrachten und nach einer der empfohlenen Systematik zu priorisieren. Ziel ist, solche Elemente höher zu priorisieren, die den höchsten Material- oder Kostenanteil eines Systems darstellen. So lassen sich die Teile mit dem höchsten Einsparungspotential ausmachen.  

  • In einer „Experten-Analyse“ mit dem gleichen Ziel wie oben werden oft noch weitere, weniger offensichtliche Optimierung-Potentiale im System entdeckt;  

  • Danach sind die Systeme mit den höchsten Einsparungspotentialen unter einem anderen Gesichtspunkt zu bewerten, und zwar nach…   

    • Key-Funktionen, die die Kernkompetenz des OEM wiederspiegeln;   

    • Grundfunktionen (z.B. Träger – oder Transportsysteme), die sich über das gesamte System erstrecken;  

    • Add-On- oder Hilfs-Funktionen, die eher dem allgemeinen Stand der Technik entsprechen und für den OEM zweitrangig sind.  

  • Im letzten Schritt sollte die Anwendbarkeit der oben beschrieben drei Stufen der Innovationen im Sinne der Miniaturisierung für alle hochpriorisierten Maschinen-Elemente durch Experten bewertet werden.  

Die Ergebnisse der Bewertung sind in einer möglichst abstrakten Matrix darzulegen. Der Vorteil ist, dass eine Ergebnismatrix entsteht, die Machbarkeit, technische Risiken und Einsparungspotentiale bewertet. Diese ermöglicht den Überblick und liefert gute technische und betriebswirtschaftliche Begründungen für die nächsten konkreten Schritte der Miniaturisierung und daraus erforderlichen Entwicklungsprozess. Der Abgleich der aufgebauten Matrix mit Ergebnissen regelmäßiger Zwischenbewertungen erlaubt effiziente Korrekturen und transparente Darstellung der Zielerreichung während der Entwicklungsphase.      

Im Zuge einer gezielten Materialoptimierung und Miniaturisierung von Teilen von Produktionssystemen können enorme Einsparpotentiale aufgedeckt und verwirklicht werden. Mit wenigen Überarbeitungsschritten kann der OEM transparentere sowie kosten- und anforderungsoptimierte Maschinen erhalten – und der Endanwender realisiert in der Regel erhebliche Energie- und Ressourceneinsparungen. 

Miniaturisierung mit Unterstützung von HARTING

Die HARTING Technologiegruppe unterstützt die Miniaturisierung im Maschinen- und Anlagenbau, indem sie Lösungen für alle Interfaces bereitstellt, die in der modernen Steuerungs-, Antriebs-, HMI- und Kommunikationstechnik für Produktionssysteme notwendig sind. Entscheidend ist, dass die Verkleinerung keine funktionellen Einschränkungen mit sich bringt. Dabei lassen sich bei den Produkten und Lösungen für Industrie-Schnittstellen die gleichen drei Innovationsstufen nachvollziehen, die je nach Stand der Miniaturisierung und Integrationsgrad für die jeweilige Applikation zielführend sind.

Matrix für 3 Innovationsstufen

Matrix für 3 Innovationsstufen

Für die Miniaturisierung gibt es im Prinzip keine Grenze nach unten, jedenfalls keine, die durch die Schnittstellen bedingt wäre. Denn nicht die Schnittstellen, sondern die Funktionalität und Größe des Systems sind bei der Miniaturisierung „führend“ – auch in der Produktionstechnik. Wie sich seit Jahren in der Zusammenarbeit von HARTING mit seinen Kunden bestätigt, lassen sich die besten Ergebnisse beim „Schrumpfen“ im Maschinen- und Anlagenbau gerade dann erzielen, wenn die Anforderungen der OEM’s mit den praktischen Erfahrungen von Interface-Herstellern für unterschiedliche Industriezweige und Anwendungen zusammengebracht werden. Daraus entstehen innovative Lösungen, die den Weg zu flexiblen, technisch und wirtschaftlich optimierten Lösungen ebnen - und weitere Horizonte für die künftige Entwicklungen aufzeigen.  

        

Quellennachweis:  
1. M. Bode, F. Bünting, K. Geißdörfer, „Rechenbuch der Lebenszykluskosten“, VDMA Verlag, ISBN 978-3-8163-0617-7
2. VDI 4800 Blatt 1:2016-02,
„Ressourceneffizienz - Methodische Grundlagen, Prinzipien und Strategien“

Jakob Dück

Jakob Dueck

Position: Industry Segment Manager Machinery

  • Abteilung: Industry Segment Management
  • Firma: HARTING Technology Group

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