Die strukturierte Verkabelung als eine Grundlage der All Electric Society
Denken wir an die All Electric Society (AES), denken wir an eine Zukunft, in der CO2-neutral erzeugte Elektrizität unsere primäre Energiequelle darstellt. Gelingt es uns als globale Gemeinschaft, die weltweiten CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren und gleichzeitig den Zugang zu Energie zu erhöhen, kann das wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand in allen Regionen fördern. Fragt man Menschen, welche Technologiebereiche sie mit dieser Umstellung auf regenerative elektrische Energiequellen verbinden, kommen vielen Befragten in der Regel zunächst Konzepte zur nachhaltigen Energieerzeugung oder -speicherung in den Sinn.
Was teils noch etwas weniger Beachtung findet, ist die jedoch nicht weniger wichtige Aufgabe, eine Verbindung zwischen beidem zu schaffen – und das durchaus im wörtlichen Sinne. Denn ein zentrales Konzept für das Gelingen der All Electric Society ist die Sektorenkopplung. Dabei geht es darum, verschiedene Sektoren der Wirtschaft und der Gesellschaft miteinander zu verbinden, um die Energieeffizienz zu steigern und die Schwankungen in der Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie auszugleichen. Beispielsweise können steuerbare Verbraucher wie Ladestationen für Elektrofahrzeuge zur Stabilisierung der gesamten Energieversorgung beitragen.
Die Bedeutung von Standards in einer vernetzten Welt
Hier kommen das Konzept der strukturierten Verkabelung und somit auch Standards ins Spiel. Strukturierte Verkabelungssysteme leisten einen wertvollen Beitrag für die Sektorenkopplung, indem sie eine flexible, skalierbare und zukunftssichere Infrastruktur bereitstellen, die für die Integration verschiedener Energiesysteme notwendig ist.
Aber warum überhaupt Standards?
Das Thema organisationsübergreifende Standardisierung ist für ein Technologieunternehmen wie HARTING, das sich auch mit industrieller Vernetzung beschäftigt, sehr wichtig. Denn es bedeutet schlichtweg Kompatibilität. Und diese ist essenziell, um Zuverlässigkeit, Sicherheit und Interoperabilität zu gewährleisten.
Betrachtet man zum Beispiel die Daten-Netzwerktechnik, im weitesten Sinne also auch Automatisierungsprotokolle, dann ist die Fähigkeit zum Datenaustausch obligatorisch. Standards wie der ISO/IEC 11801, der ISO/IEC 14763-2 und der TIA-568 definieren Kriterien für die Installation, die Leistungsfähigkeit und die Tests von Verkabelungssystemen. So sind heute bereits fast alle unsere Produktstandards an Prüfstandards gekoppelt. Unsere Kunden erfahren hierüber zum Beispiel also nicht nur etwas über seine physischen und elektrischen Eigenschaften, sondern auch, wie sie einen M12 Steckverbinder nach CAT 5 korrekt testen können. Standards ergeben einfach überall dort Sinn, wo beispielsweise unterschiedliche Philosophien, Produkte, Hersteller oder Protokolle aufeinandertreffen – so auch bei der strukturierten Verkabelung.
Was heißt strukturierte Verkabelung?
Der Ausdruck strukturierte Verkabelung meint nämlich nichts anderes als ein standardisiertes System von Kabeln, Steckverbindern und den zugehörigen Komponenten, das eine flexible und kosteneffiziente Netzwerkarchitektur ermöglicht. Sie setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: vertikale Verkabelung, horizontale Verkabelung, Patchpanels, Steckdosen und Kabeltrassen. Letztlich geht es darum, eine einheitliche und organisierte Verkabelungsinfrastruktur zu schaffen.
Sie besteht in der Regel aus den drei hierarchischen Ebenen Primärverkabelung, Sekundärverkabelung und Tertiärverkabelung. Dabei beinhaltet sie passive Komponenten wie Netzwerkkabel, Anschlussdosen, Patchfelder oder Netzwerkschränke. Gleichzeitig verbindet sie aktive Komponenten wie Switches, Router oder WLAN-Access-Points.
Diese Art der Verkabelung erhöht dann beispielsweise die Betriebssicherheit durch leistungsfähige und redundante Strukturen. Sie erleichtert es Unternehmen aber auch, Netzwerke einfach zu erweitern oder zu modifizieren – ohne dass dabei große Umbauarbeiten notwendig werden. Langfristig können Unternehmen so Kosten sparen und mögliche Ausfallzeiten reduzieren.
Strukturierte Verkabelung als Enabler der AES
Und hier schließt sich der Kreis zur All Electric Society. Die AES basiert auf einer nahtlosen Integration von Daten durch eine strukturierte Verkabelung. Das wiederum erlaubt es, verschiedene industrielle und technologische Sektoren miteinander zu verbinden. Es ginge jedoch nicht ohne den heimlichen Star dieses Konzepts: die ISO/ IEC 11801.
Die Erfolgsgeschichte der ISO/IEC 11801
Die ISO/IEC 11801, ursprünglich primär für die strukturierte Gebäudeverkabelung im LAN-Bereich gedacht, wurde vor rund 30 Jahren entwickelt, um unterschiedliche Kommunikationsprotokolle innerhalb von Gebäuden zusammenzuführen.
Der Standard hat sich jedoch kontinuierlich weiterentwickelt und deckt heute eine breite Palette von Anwendungen und Einsatzfeldern ab – von Bürogebäuden bis hin zu Industrieanlagen und Rechenzentren. Betrachtet man seinen Einfluss auf die strukturierte Verkabelung, kann man das mit einem „Häuslebauer“ vergleichen: Eine Person, die ein Haus von Grund aufbaut, muss alles eigenständig konzipieren. Zunächst mag sie alleine zurechtkommen, doch irgendwann stößt sie auf komplexere Anforderungen wie Statik, Windlasten oder die Effizienz der Wärmedämmung. Sie benötigt dann spezialisierte Fachkräfte und standardisierte Bauteile.
Früher wurde das Verkabelungssystem in Gebäuden oft individuell für jede Anwendung konzipiert. Jeder Hersteller hatte eigene Protokolle, Kabel und Verbinder, die nicht zusammenarbeiteten. Diese Art von Individualismus ist vergleichbar mit dem „Häuslebauer“, der alles alleine plant.
Heute hingegen sind Standards wie die ISO/IEC 11801 fest etabliert. Diese Normen stellen sicher, dass bestimmte Parameter und Bauteile vorgegeben sind. Dadurch können vorgefertigte, standardisierte Teile verwendet werden, ähnlich wie es moderne Bauherren tun, die auf eine Vielzahl von bewährten Baukomponenten und Techniken zugreifen können. Das führt zu einer effizienteren, kompatibleren und kostengünstigeren Umsetzung – sowohl im Bauwesen als auch in der Netzwerkinfrastruktur.
Vergleichbar mit der nachhaltig geplanten Infrastruktur eines Hauses, die 20-30 Jahre bestehen kann, gewährleistet eine strukturierte Verkabelung eine zukunftssichere Grundlage, die verschiedene Anwendungen und Technologien unterstützt.
Eine Infrastruktur für die Sektorenkopplung
So fördert die strukturierte Verkabelung auch die Sektorenkopplung, indem sie die Verbindung verschiedener Industrie- und Technologiebereiche ermöglicht. Diese Kopplung ist essenziell für das Zielbild der AES. Sie gewährleistet, dass Energieflüsse und Datenströme effizient zwischen Sektoren wie Energie, Industrie und Verkehr gesteuert werden können.
Datenstrom: Informationen und Energie in nur einem Kabel (SPE)
Diese Daten und Energie können mittels Power-over-Ethernet (PoE) in ein und demselben Kabel mit vier Adernpaaren übertragen werden. Dank der Entwicklung von Single Pair Ethernet (SPE) ist inzwischen aber sogar eine Übertragung über nur ein einziges verdrilltes Adernpaar möglich. Das reduziert nicht nur die Materialkosten und steigert die Reichweite auf bis zu 1.000 m, sondern ermöglicht auch die Anwendung in Umgebungen, in denen Platz und Gewicht entscheidende Faktoren sind.
Wir reden nicht nur über Daten und Signale, sondern es kommt mehr und mehr das Thema Power dazu. SPE ist ein Paradebeispiel dafür, wie die strukturierte Verkabelung weiterentwickelt wurde, um sowohl Daten als auch Energie effizient zu transportieren.
Die Zukunft für und durch die strukturierte Verkabelung
Und genau in der Fähigkeit, sich an neue Anwendungsbereiche und technologische Fortschritte anzupassen, liegt die Zukunft der strukturierten Verkabelung. Ziel ist es, die Technologie in neuen Bereichen wie Smart Cities zu etablieren, wo sie zentrale Infrastrukturen und somit auch die AES ermöglicht. Sie bietet eine flexible und zukunftssichere Lösung für die kontinuierlich wachsenden Anforderungen an Daten- und Energieübertragung in verschiedensten Sektoren.
Die eigentliche Herausforderung besteht darin, diese Verkabelung in die neuen Anwendungsgebiete wie Smart Cities zu integrieren. Hier wird die strukturierte Verkabelung zur kritischen Infrastruktur, die es ermöglicht, Daten und Energie effizient und nachhaltig zu verwalten.
Lars Kühme
Position: Manager für Unternehmenskommunikation
- Abteilung: Unternehmenskommunikation & Branding
- Firma: HARTING Stiftung & Co. KG