Digitalisierung von Ortsnetzstationen (ONS)
Der Begriff "Smart Grid" ist schon lange kein Fremdwort mehr und steht kurz gesagt für ein auf digitaler Technologie basierendes Elektrizitätsnetz, welches zur Versorgungssicherheit des Endverbrauchers zuverlässig und möglichst effizient funktionieren soll.
Teil dieses Elektrizitätsnetzes sind sogenannte Ortnetzstationen (ONS), welche flächendeckend im ganzen Land zu finden sind. Zu erkennen sind die mehr als 600.000 installierten ONS als kleine graue Häuschen häufig direkt in der Nachbarschaft, die häufig ein tiefes Brummen von sich geben. Diese ONS sind das Bindeglied zwischen der Mittel- und der vom Endverbraucher verwendeten Niederspannungsebene (400 V/230 V) und sind im Grunde nichts anderes als ein Transformator in einem Betongehäuse mit im besten Fall Elektronik zur Überwachung und Steuerung drumherum. Meistens noch im vorherigen Jahrzehnt oder Jahrhundert geplant und in Betrieb genommen, fehlt vielen ONS jegliche Möglichkeit zur Beobachtung und Steuerung des Niederspannungsnetzes durch digitale Lösungen. Dies ist heutzutage aufgrund der zunehmenden Einspeisung regenerativer Energien und einem veränderten Verbraucherverhalten (Home-Office / E-Mobility / Wärmepumpe etc.) jedoch von hoher Relevanz, da Stromverbrauch und -erzeugung zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen sein müssen. Eine Störung im Niederspannungsnetz oder gar ein Ausfall einer ONS ist beim Endverbraucher direkt spürbar und wird noch häufig beim verantwortlichen Netzbetreiber erst dann erkannt, wenn der betroffene Endkunde sich meldet
Grund genug für die HARTING, gemeinsam mit einem der führenden Digitaldienstleister für den Verteilnetz- und Messstellenbetrieb, der E.ON Grid Solutions GmbH, eine Digitalisierungseinheit zu entwickeln. Diese kann als Nachrüstlösung installiert werden und führt damit zu einer Smartifizierung bestehender Ortsnetzstationen.
Der Einsatzbereich dieser Lösung ("neonpulse“ bei der E.ON Grid Solutions) ist die Niederspannungsseite der ONS im Netzbereich der deutschen Verteilnetzbetreiber der E.ON. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Nachrüstlösung für Ortsnetzstationen besteht in der Aufnahme, Umwandlung und Weiterleitung von Messdaten.
Dazu werden in der ONS vorhandene Multimessgeräte und NH-Lastschaltleisten mit Messfunktion über HARTING RJ45 Schnittstellen und HARTING Kommunikationskabel via Modbus RTU ausgelesen und die Messdaten über ein IoT-Gateway per Mobilfunk an die E.ON Digital Plattform „e.IoT“ versendet. Kurze Spannungsausfälle können über eine Kombination eines Netzteils mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung überbrückt werden und lassen die Datenerfassung und -versand für mind. 60 Sekunden nach Spannungsausfall weiterarbeiten.
Diese automatische Datenerfassung führt zu einer neuen bisher nicht dagewesenen Beobachtbarkeit der Niederspannungsseite in schon länger bestehenden ONS.
Außerdem erfasst das GW innerhalb eines Intervalls von 15 Minuten die Messdaten eines Umweltsensors, der sich innerhalb der Ortsnetzstation befindet. Messdaten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität und Bewegung innerhalb der ONS werden ebenfalls verarbeitet und via LoRaWAN zum Gateway und anschließend per LTE-Mobilfunk in die Datencloud gesendet. Mittels dieser Informationen lassen sich zum einen valide Temperaturprofile innerhalb der ONS für die bessere Auslegung von Elektronik ermitteln und zum anderen der unberechtigte Zugang zur ONS überwachen.
Summa summarum lässt sich sagen, dass über die Retrofit-Lösung, welche als gemeinschaftliches Projekt der E.ON mit HARTING Deutschland und der HARTING Customised Solutions, ein gesamtheitlicher Status über die ONS mittels moderner Funktechnologien an die E.ON-Datencloud kommuniziert wird. Eine Störung bzw. ein Fehlverhalten innerhalb der Station ist so schnell identifizierbar und kann zeitnah beseitigt werden.
Gegenüber dem Neubau von ONS mit intelligenten Netztechnologien findet diese Lösung zudem einen zeitlichen Vorteil, da sie schneller und auch kostengünstiger zu realisieren ist. Sie bietet damit sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile, da ein Neubau und der dadurch verursachte größere CO2-Fußabdruck vermieden wird.
Ralf Reicks
Position: Projektingenieur Energie
- Abteilung: Globale Projektierung
- Firma: HARTING Technologiegruppe
Dr. Thomas Schröder
Position: neonpulse Projekt- und Produktmanagement (Material- und Lieferantenmanagement)
- Firma: E.ON Grid Solutions GmbH